Welche Art von Führung brauchen Knowledge Worker?
Patrick Freudiger erläutert, warum Leader als Facilitator agieren müssen, um das Potenzial von Knowledge Workern voll auszuschöpfen
Die Digitalisierung bedingt eine große Zunahme an Knowledge Workern, also Mitarbeitern, die mehr Fachwissen besitzen als ihr Chef. Dass diese sich nicht mehr mit klassischen Führungsrezepten leiten lassen, erläutert Patrick Freudiger, Schweizer CIO des Jahres 2016, wie folgt: „Ein neuer Ansatz von Führung ist gefragt, um das Potenzial von Knowledge Workern in der Zusammenarbeit voll auszuschöpfen.“
Knowledge Worker sind Fachexperten auf die die historisch gewachsene Form der Führung, dass ein ‚Meister‘ sein Wissen an einen ‚Schüler‘ weitergibt, nicht mehr zutreffe. „Das Wissen von Knowledge Workern ist unentbehrlich. Sie sind aber heute nicht zwingend auch Führungskräfte“, führt Patrick Freudiger aus. Es sei somit wichtig, Knowledge Worker für inhaltlich fachrelevante Themen einzusetzen, nicht aber zusätzlich mit Führungsaufgaben zu betrauen. In den vergangenen Jahren habe sich daraus der Führungsstil ‚Leader as Facilitator‘ entwickelt, der speziell darauf ausgelegt ist, diese Art Mitarbeiter zu führen. Ein hervorragendes Beispiel hierfür bietet Alan Mulally, wie Patrick Freudiger ausführt: „Alan Mulally, ehemals CEO der Ford Motor Company schaffte den erfolgreichen Turnaround und rettete Ford vor dem wirtschaftlichen Kollaps. Dies gelang ihm unter anderem dadurch, dass er ein geschlossenes Führungsteam bildete und dieses in die Pflicht nahm, eine umfassende Strategie auszuarbeiten. Er berief ebenfalls ein wöchentliches Treffen mit den Mitgliedern seines Führungsteams ein, allesamt Knowledge Worker.“
Diese Treffen verliefen anfangs noch ergebnislos, bis es dann zu einer entscheidenden Wende kam. Eine Führungskraft hatte den Mut und beschrieb ein zentrales Problem, das sie nicht lösen konnte. Mulally beglückwünschte diese Führungskraft für ihren Mut, ein Problem zuzugeben – und er beglückwünschte sie dazu, einzugestehen, nicht zu wissen, wie das Problem zu lösen sei. Das Team richtete anschließend die Aufmerksamkeit auf die Lösung des Problems und suchte gezielt nach Arbeitskollegen, die die Erfahrung und das Fachwissen besaßen, das Problem zu lösen.
Aus diesem Beispiel können Führungskräfte, die Knowledge Worker führen, fünf wichtige Aspekte ableiten. „Punkt eins ist, dass Führungskräfte Transparenz belohnen sollten. Wenn Mitarbeiter Probleme haben, ist es gut, diese auf den Tisch zu legen, so können Führungskräfte helfen, Lösungen zu finden. Das schafft auch die Grundlage, dass Mitarbeiter ihnen vertrauen“, so Freudiger.
Der zweite wichtige Faktor sei das Anerkennen von Fachwissen durch die Führungskraft. Einen Knowledge Worker zu führen, bedeute auch anzuerkennen, dass dieser mehr Fachwissen hat als die Führungskraft. Dies führt zu Faktor drei: „Vorsicht, wenn es darum geht, Vorschläge ohne fundierte Fachkenntnisse zu machen.“ Den vierten wesentlichen Punkt bei der Führung von Knowledge Workern erläutert Patrick Freudiger wie folgt: „Beziehen Sie andere aktiv mit ein, so wie es Mulally gemacht hat. Dieser rief sofort das kollektive Wissen der ‚Tausenden von klugen Leuten‘ bei Ford ab. In diesem Licht wird die Führungskraft zum Moderator, zum Facilitator.“ Der letzte Aspekt betreffe das eigene Ego, das abgelegt werden sollte. „Führungskräfte sollten bereit sein, zuzugeben, dass sie nicht alle Antworten haben“, ergänzt der Experte für Führung und Leadership.
Immer häufiger seien Führungskräfte auf allen Ebenen in Organisationen dafür verantwortlich, die Knowledge Worker wirksam zu moderieren. „Die Schaffung eines Umfelds, in dem sie ihr Leistungsniveau transparent kommunizieren können, gibt der Führungskraft die Möglichkeit, Vorwärtsbewegungen zu erleichtern, wichtige Ziele zu erreichen, sprich eine Kultur aufzubauen, die gute Leistungen auf lange Zeit ermöglicht“, bekräftigt Freudiger abschließend.