Kritisches Feedback geben: Samthandschuhe gehören nicht in den Schrank einer Führungskraft!
💼 Erfolgreiche Führungskräfte stehen oft vor der Herausforderung, kritisches Feedback zu geben. Insbesondere, wenn Mitarbeitende im Team nicht performen, gelingt es nicht immer, die richtigen Worte zu treffen.
Ich sehe schon von weitem, dass mein Coachee Sebastian heute anders drauf ist. Ich kann seine Wut fast schon greifen als er die Tür öffnet und sich auf den Sessel mir gegenüber fallen lässt. Sebastian ist seit vielen Jahren eine erfolgreiche Führungskraft in einem großen Unternehmen und steckt gerade in einer Sackgasse fest. Ich spüre die Anspannung in der Luft und warte geduldig darauf, dass er das Gespräch eröffnete. «Patrick, ich weiß einfach nicht mehr weiter», begann er. «In meinem Team habe ich einige Mitarbeiter, die einfach nicht performen. Egal wie sehr ich sie motiviere oder unterstütze, sie scheinen einfach nicht besser zu werden. Ich gebe mein Bestes, um ein gutes Arbeitsumfeld zu schaffen und meine Mitarbeiter zu fördern, aber es fühlt sich an, als würde ich bei manchen gegen eine Wand rennen.» Nach einem tiefen Seufzen fährt er fort: «Ich weiß, dass ich mit einigen ein kritisches Feedbackgespräch führen muss. Aber wie soll ich das angehen, ohne sie dabei komplett zu demotivieren?»
Obwohl Sebastian schon reichlich Erfahrung als Führungskraft hat, sind kritische Feedbackgespräche immer eine Herausforderung. Es ist enorm anspruchsvoll, hartes Feedback zu geben und viele Führungskräfte beherrschen diese Fähigkeit nie wirklich. Ich rate Sebastian im ersten Schritt, sich darauf zu fokussieren, seinen Mitarbeitenden ein klares Bild ihrer Leistung zu vermitteln. Es ist kontraproduktiv sie mit Samthandschuhen anzufassen und ihnen nicht ehrlich zu sagen, wenn ihre Leistung nicht den Vorstellungen entspricht. Selbstverständlich sollte diese Klarheit mit Respekt und aufrichtigem Interesse gepaart sein, denn nur so entfaltet das Feedback seine Wirkung. Viele Menschen haben in ihrem Berufsleben noch nie präzises, einfühlsam formuliertes Feedback erhalten, das ihnen konkrete Ansätze zur Verbesserung bietet. Auch Sebastian muss sich eingestehen, dass er dies bisher nicht getan hat. Doch ehrliche Rückmeldungen sind von grosser Bedeutung für die persönliche und berufliche Entwicklung der Mitarbeitenden und es gehört zur Pflicht einer Führungskraft, den Teammitgliedern auch kritisches Feedback zu geben.
Feedback setzt ein deutliches Signal
Ich mache Sebastian darauf aufmerksam, wie es sich auswirkt, wenn er den Underperformern weiterhin kein kritisches Feedback gibt: «Deine Mitarbeitenden haben ein feines Gespür dafür, wer im Team herausragt, wer nur mitläuft und wer die Schlusslichter sind. Wenn du als Führungsperson schlechte Performance tolerierst, setzt du damit das klare Signal, dass ein derartiges Leistungsniveau für dich akzeptabel ist.» Er schluckt. Und ich sehe es in seinem Kopf arbeiten. Wenn er so weitermacht, werden die leistungsstärksten Mitarbeitenden über kurz oder lang das Team verlassen, weil sie sich in einem Umfeld, das Mittelmäßigkeit duldet, nicht weiterentwickeln können. Das «Mittelfeld» hingegen könnte weiter zurückfallen und sich auf einem niedrigeren Niveau einpendeln. In schlimmsten aller Fälle bleibt am Ende ein Team aus Menschen, die nicht einmal mehr Dienst nach Vorschrift machen.
Feedback geben – wie funktioniert das genau?
Besonders wenn es um kritische Feedbackgespräche geht, halten sich viele Führungskräfte zurück. So auch Sebastian, dem zwar zunehmend bewusst wird, dass er etwas tun muss, aber die folgenden Gedanken beschäftigen, wie er mir erzählt.
- Was, wenn dieses Feedback meine Beliebtheit beeinträchtigt? Ich möchte, dass meine Mitarbeitenden mich mögen.
- Was, wenn meine Einschätzungen sich als fehlerhaft erweisen?
- Was, wenn meine Faktenlage wackelt oder vom Gegenüber hinterfragt wird?
- Was, wenn ich innerlich spüre, dass ich nicht alles für den Erfolg des Mitarbeitenden getan habe?
- Was, wenn meine Beobachtungen nicht ausreichend durch Beispiele gestützt sind?
- Was, wenn ich das Gefühl habe, übermässig streng zu sein?
- Verlange ich vielleicht zu viel? Setze ich die Messlatte zu hoch? Auf welcher Grundlage fordere ich derartige Leistungen?
- Was, wenn die Situation in einen Konflikt ausartet?
- Was, wenn mein Feedback den Mitarbeitenden demotiviert, statt motiviert?
Und was, wenn ich jemanden entlassen muss?
Sebastian ist gedanklich schon zwei Schritte weiter und legt mir offen seine Befürchtung dar, dass er sich von dem einen oder anderen trennen muss. Ich kenne solche schwierigen Gespräche aus meiner eigenen Karriere. «Es ist eine Realität, dass nicht jeder Mitarbeitende dauerhaft zu deinem Team oder zu deinen Unternehmenszielen passt. Manchmal erodiert das Vertrauen in einen Mitarbeitenden bis zu dem Punkt, an dem eine Trennung unausweichlich ist. In solchen Situationen ist es entscheidend, das Gespräch mit Professionalität und Selbstsicherheit zu führen», rate ich ihm. Manchmal ist das Ergebnis nicht verhandelbar; was sich jedoch steuern lässt, ist die Herangehensweise und die Qualität der Konversation. Und an diesem Punkt wollen wir in den nächsten Sitzungen arbeiten. Für heute gebe ich Sebastian noch eine bewährte Anleitung für das Führen schwieriger Gespräche mit an die Hand.
Anleitung zum Führen schwieriger Feedbackgespräche
In harten Feedbackgesprächen kochen die Emotionen gerne mal hoch, deshalb gilt es Konfrontationen zu vermeiden. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man sich als autoritärer Vorgesetzter präsentiert oder als ermutigender Coach auftritt. Ziel ist es nicht zu kritisieren, zu verurteilen, anzugreifen oder gar das Problem für das Gegenüber zu lösen. Es geht vielmehr um die innere Einstellung, wie man die Situation angeht. Auch unnötige Diskussionen über die Vergangenheit sollten vermieden werden, denn was einmal geschehen ist, lässt sich nicht ungeschehen machen. Der Fokus sollte vielmehr auf die Zukunft gerichtet sein, und darauf, wie diese gestaltet werden kann. Verhalten und Person trennen ist besonders in kritischen Feedbackgesprächen wichtig. Nicht die Person an sich ist «falsch», sondern ihr Verhalten. Statt eine Person als «faul» oder «launisch» zu bezeichnen, sollte eine Führungskraft erläutern, welche Konsequenzen dieses Verhalten auf das restliche Team hat. Indem lediglich das Verhalten kritisiert wird, ohne die Person persönlich anzugreifen, gelingt eine Basis für ein konstruktives Gespräch. Und last but not least empfehle ich Sebastian die Worte «Liebe» und «Hass» im selben Satz zu verwenden, zum Beispiel folgendermassen: «Hey, ich möchte, dass du weisst, dass ich dich schätze, aber ich mag nicht, was hier passiert.» «Ich schätze es sehr, dich in meinem Team zu haben, ich schätze die Beiträge, die du leistest, aber es stört mich, wenn du stets zu spät kommst.»
Als Führungskraft kennst du die Situation von Sebastian wahrscheinlich gut oder wirst sie früher oder später selbst erleben. Welche Optionen du hast Feedbackgespräche zu führen und wie du auch an deinen Vorgesetzten Feedback gibst, erfährst du in meinem neuen Buch «Die Heldenreise einer Führungskraft. Wie du als Leader*in die beste Version deiner selbst wirst». (Erhältlich bei Amazon, Orell Füssli, Wiley oder direkt beim Autor)