Konfliktscheu? Warum Führung Mut erfordert
Oft begegne ich Führungskräften, bei denen das Bedürfnis, von ihren Mitarbeitenden gemocht zu werden, stark ausgeprägt ist. Noch vor einigen Jahren hätte ich mich auch dazu gezählt. Mir war es wichtig, dass mein Team mich mochte, insbesondere zu meinen Direct Reports war mir ein gutes Verhältnis wichtig. Mit der Zeit wurde mir jedoch immer mehr bewusst, dass dieser Anspruch Konsequenzen hat.
Dazu eine provokante These von Marty G. Moore, der mich zu diesem Blog inspiriert hat: Das Bedürfnis, gemocht zu werden, ist unvereinbar mit kompetenter Führung! Weshalb? Weil Führungskräfte, die von ihren Mitarbeitenden gemocht werden wollen, oft Konfliktsituationen ausweichen. Sie meiden unangenehme Gespräche. Sie meiden klare Ansagen, die nicht schmecken könnten.
Warum ist Konfliktscheue ein Problem für Sie als Führungskraft? Weil es sich auf alles auswirkt, was Sie tun ... die Konfliktscheue ist im Wesentlichen oft die Hauptursache, warum Sie sich in unangenehmen Situationen befinden.
Konflikte sind unvermeidlich
Das offensichtlichste Beispiel, das Sie sicher schon erlebt haben, sind die unzähligen Konflikte, die mit anderen Menschen entstehen – mit Ihrem Team, Ihrem Kollegen, Ihrem Chef, Ihren Kunden. Diese Situationen kommen täglich auf Sie zu. Sie sind unvermeidlich!
Wenn Sie sich im Umgang mit diesen Situationen unwohl fühlen, wird Ihnen die Arbeit als Führungskraft keinen Spass machen. Denn genau das ist, was Führungskräfte tun: sie beschäftigen sich mit zwischenmenschlichen Konflikten und lösen sie. Es gibt einige erkennbare Konfliktsituationen, von denen wir wissen, dass wir uns ihnen stellen müssen. Zum Beispiel Verhandlungen mit Lieferanten. Sie können kein guter Verhandlungsführer sein, wenn Sie nicht mit Konflikten umgehen können und bereit sind zu lernen, souverän durch konfliktäre Situationen zu navigieren. Sie werden nicht in der Lage sein, das volle Potenzial Ihres Teams zu entfalten. Denn, wenn Sie das Beste aus Ihren Mitarbeitenden herausholen wollen, müssen Sie sie ironischerweise oft in Konfliktsituationen bringen. In meinem Fall war ich mir bewusst, dass mein Team mich und sich gegenseitig herausfordern muss. So holt man das Beste aus den Menschen heraus – indem man sie fordert, Meinungsverschiedenheiten ausräumt und über die Vorzüge von Ideen und Lösungen diskutiert. Es sollte erwartet werden, dass jeder etwas Einzigartiges in die Arbeit einbringt. Sie sollten unterschiedliche Meinungen nicht nur akzeptieren, sondern sie auch erwarten!
«Wenn du dasselbe denkst wie ich, dann ist mindestens einer von uns überflüssig …»
Um nochmals Marty G. Moore zu zitieren: «Wenn du dasselbe denkst wie ich, dann ist mindestens einer von uns überflüssig ... und das bin wahrscheinlich nicht ich.» Das lockt Menschen effektiv aus ihrer Reserve und bringt sie dazu, etwas anderes, Wertvolles beizutragen – denn jeder hat etwas beizutragen. Ihre Aufgabe als Führungskraft ist es, dies herauszukitzeln und das ist oft mit Konflikten verbunden.
Denken Sie daran, dass es im Grunde darum geht, mit den Ihnen anvertrauten Ressourcen den größtmöglichen Wert zu schaffen. Und ohne Konflikte wird der Wert immer verwässert werden.
Denken Sie doch mal einen Moment über Ihre persönliche Perspektive nach. Konfliktvermeidung führt zu «Aufschieberitis». Denn um Konflikte zu vermeiden, müssen wir andere Dinge tun, die frei von Konflikten sind. Wir beschäftigen uns mit anderen Tätigkeiten, während die unangenehme, aber wichtige Arbeit noch aussteht.
Wenn Konfliktvermeidung Sie zum Aufschieben zwingt, gerät alles ins Stocken:
- Sie schieben unangenehme Entscheidungen vor sich her,
- Sie schieben schwierige Gespräche vor sich her,
- Sie schieben alles vor sich her, bei dem Sie sich unwohl fühlen.
Um Ihnen dabei zu helfen, gebe ich Ihnen ein Werkzeug an die Hand, mit dem Sie Konfliktscheue überwinden können: die tägliche Reflexionsdisziplin.
Vermeidung verstehen – Massnahmen ergreifen
Verstehen Sie, was Sie vermeiden und warum Sie es vermeiden, damit Sie konkrete Massnahmen ergreifen können, um es zu überwinden. Zunächst einmal: Woran würden Sie die Symptome der Konfliktscheue bei Ihnen und anderen erkennen? Wie bei vielen Dingen sind diese Probleme bei anderen Menschen viel leichter zu erkennen als bei uns selbst. Es gibt ein paar verräterische Anzeichen, nach denen Sie Ausschau halten können.
Das erste und häufigste Anzeichen ist die mangelnde Bereitschaft oder Unfähigkeit, die Leistungsschwächen Ihrer Mitarbeitenden anzusprechen: Manchmal verhalten sich Menschen einfach nicht so, wie man es von ihnen erwartet. Dann ist es die Aufgabe der Führungskraft, einzugreifen und das zu korrigieren. Aber wenn Sie sehen, dass Ihre Führungskräfte zögern, wenn Sie hören, wie sie sich entschuldigen, wenn Sie erkennen, dass sie nicht bereit sind, Probleme direkt anzusprechen, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass sie konfliktscheu sind.
Ein weiteres Zeichen ist, dass Sie lange Zeit benötigen, um Entscheidungen zu treffen. Je höher Sie in der Hierarchie aufsteigen, desto weniger werden Ihre Entscheidungen allen gefallen. Es wird immer Menschen geben, die sich als Gewinner fühlen und Menschen, die sich als Verlierer sehen. Es wird Mitarbeitende geben, die einen Standpunkt unterstützen und einen anderen nicht. Wenn Sie also eine Entscheidung treffen, wissen Sie, dass Sie einige Leute verärgern werden – das gehört einfach dazu. Manche Führungskräfte reagieren darauf, indem sie eine Entscheidung unbewusst aufschieben. «Wenn ich sie nicht treffe, kann niemand unglücklich darüber sein!»
Das dritte verräterische Zeichen für Konfliktscheue ist, wenn Menschen extreme Anzeichen von Stress zeigen, wenn sie herausgefordert werden. Das passiert oft in Teamsituationen.
Auch der grosszügige Gebrauch von Ausreden und Rationalisierungen für Untätigkeit ist ein Zeichen dafür, dass Sie konfliktscheu sind. Wenn Sie keinen Weg finden, mit Konflikten umzugehen, wird Ihnen das Führen unglaublich schwerfallen und Sie werden es nie geniessen können. Sie müssen Folgendes akzeptieren: Nicht jeder wird Sie mögen. Andererseits lieben wir es alle, gemocht zu werden. Aber als Führungskraft kann das einfach nicht das Ziel sein.
"Respekt geht vor Beliebtheit" (Marty G. Moore)
Es liegt auf der Hand, dass Sie nicht überall beliebt sein werden. Demzufolge müssen Sie einfach damit klarkommen. Machen Sie sich nicht zu viele Gedanken darüber, denn Sie werden es nicht ändern können! Ihr Mantra muss also lauten: Respekt geht vor Beliebtheit! Das ist der Leitsatz, der Sie jeden Tag antreiben muss. Und wenn Sie ihn fest in Ihrer Psyche verankern haben, wird Ihnen die anspruchsvolle Führungsarbeit leichter fallen – schwierige Gespräche führen, Entscheidungen treffen, die unpopulär sind usw.
Das Beste aus Menschen herausholen
Betrachten wir nun die Rolle, die eine Führungskraft beim Aufbau von Fähigkeiten spielt: Sie wollen das Beste aus Ihren Mitarbeitenden herausholen – dafür werden Sie schliesslich bezahlt. Damit dies gelingt, müssen Sie fordern, coachen und konfrontieren können.
Sie wollen die Menschen über ihre Komfortzone fordern und das ist eine reiche Quelle für potenzielle Konflikte.
Sie müssen den Menschen helfen, zu erkennen, wenn sie nicht auf dem richtigen Weg sind, indem Sie sie coachen, um sie wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Das ist oft mit Konflikten verbunden. Und Sie müssen in der Lage sein, Menschen zur Rede zu stellen, wenn sie etwas Falsches tun, wenn ihr Verhalten inakzeptabel oder ihre Leistung unterdurchschnittlich ist.
Sie müssen in der Lage sein, den Standard, den Sie setzen, zu bekräftigen und sicherzustellen, dass Ihre Mitarbeitenden ihn verstehen, damit sie ihn anstreben können. Menschen mögen Gewissheit. Selbst wenn sie etwas hören, das ihnen nicht gefällt, wissen sie die Klarheit zu schätzen, die es mit sich bringt!
Unabhängig von der hierarchischen Ebene, auf der Sie sich befinden, unabhängig davon, wie gross oder klein Ihr Unternehmen ist, unabhängig von der Branche, in der Sie tätig sind, ist die Fähigkeit, zu fordern, zu coachen und zu konfrontieren, essentiell für kompetente Führungskräfte. Wenn Sie konfliktscheu sind, werden Sie dazu nicht in der Lage sein und Ihr Team wird darunter leiden (weil die Leistung des Einzelnen darunter leidet). Ihr Team wird weit unter seinem Potenzial arbeiten – es bleibt lediglich die Frage, wie weit darunter.
Ist die Messlatte hoch, sind es auch die Sprünge
Seien wir ehrlich: Nicht jeder Mitarbeitende wird ein Star sein, aber Sie müssen dennoch versuchen, das Beste aus jeder einzelnen Person in Ihrem Team herausholen. Es muss einen akzeptierten Mindeststandard geben und niemand bekommt einen Freifahrtschein, diesen Standard nicht einhalten zu müssen. Denken Sie daran, dass die Qualität Ihres Teams nicht durch Ihre stärksten Mitarbeitenden, sondern Ihren schwächsten Leistungsträger bestimmt wird.
Hier ist ein weiteres wichtiges Mantra, welches Sie beachten sollten: «Schwache Führungskräfte senken den Qualitätsstandard, um die Leistung zu erbringen ... grossartige Führungskräfte heben die Leistung an, um den Qualitätsstandard zu erfüllen.»
Wenn Sie die Messlatte hoch setzen, werden Sie überrascht sein, wie viele Menschen diese Messlatte tatsächlich erreichen können. Und Sie werden sich besser fühlen, weil Ihr Selbstwertgefühl steigt und Sie einen grösseren Einfluss auf das Unternehmen haben.
Um Ihnen zu helfen, gute Gewohnheiten im Umgang mit Konflikten zu entwickeln, möchte ich mit Ihnen eine tägliche Disziplin teilen, die ich bei Marty G. Moore gelernt habe. Sie hat mir geholfen, meine eigene Konfliktscheue zu überwinden.
Fragen, die Sie sich täglich stellen wollen:
- «Was habe ich heute vermieden, obwohl ich weiss, dass ich es hätte tun sollen?»
Das ist die wichtigste Frage, und wenn Sie ein gewisses Mass an Reflektionsfähigkeit haben, werden Sie in der Lage sein, diese Frage ziemlich schnell zu beantworten: «Ja, das hätte ich tun sollen, habe ich aber nicht.» - Die nächste Frage ist abhängig von der Antwort auf die erste Frage, und lautet: «Was war möglicherweise schwierig oder unangenehm? Was fand ich schwierig? Warum habe ich mich entschieden, es zu vermeiden?»
- Gefolgt von der Frage: «Wann habe ich die nächste Gelegenheit, das zu tun?» Denn die Gelegenheiten ergeben sich nicht immer stündlich, und es ist wichtig, sich einen Zeitrahmen zu setzen.
- Überlege Sie dann, welche Folgen Ihre Untätigkeit hat: «Welche Auswirkungen hätte es gehabt, wenn ich es nicht gemacht hätte? Gab es weitere Auswirkungen, weil ich mich dem Konflikt nicht so gestellt habe, wie ich es hätte tun sollen?»
- Und schliesslich: «Was wäre passiert, wenn ich es getan hätte, als ich es tun sollte? Wäre ich jetzt in einer besseren Situation?»
Und die Antwort darauf ist fast immer ja. Denn erstens würden Sie diesen inneren Dialog nicht führen, wenn Sie es getan hätten. Sie müssten sich nicht mehr darum kümmern. Sie müssten sich keine Gedanken darüber machen und keine Energie dafür aufwenden.
Über unangenehme Dinge zu sprechen, Menschen zu konfrontieren und in Konflikte zu gehen erfordert Mut. Diese zählt zu einer der 12 Kerntugenden in der Führung und ist eine entscheidende Verhaltenskompetenz. Wenn Sie Ihre Leadership-Kompetenzen kritisch auf den Prüfstand stellen wollen, dann machen Sie jetzt kostenlos den BeBest! Test.
Falls Sie weitere Unterstützung bei der Überwindung Ihrer Konfliktscheue benötigen, sollten wir miteinander sprechen. Vereinbaren Sie hierzu einen kostenlosen Kennenlerntermin oder vernetzen Sie sich mit mir auf LinkedIn.