Karriereblocker Konfliktumgang – ausweichen oder anpacken?
Sobald zwei Menschen aufeinandertreffen, sind Konflikte unvermeidbar. Es wäre utopisch 🌏 zu glauben, dass es in einem Team 👥 oder Unternehmen 🏢nicht so ist. Umso wichtiger ist, dass du dich als Führungskraft intensiv mit der Kompetenz beschäftigst, dich im konstruktiven Umgang mit Konflikten zu verbessern.
Die Morgensonne warf ihre ersten Strahlen durch die bodentiefen Fenster des Bürogebäudes, als Anna, CFO eines renommierten Technologieunternehmens, den Konferenzraum betrat. Sie ist es gewohnt, Entscheidungen zu treffen und Teams zum Erfolg zu führen. Doch seit einiger Zeit spürt sie deutlich, dass etwas nicht stimmt. In den vergangenen Wochen sind zahlreiche Konflikte aufgetreten und Anna muss sich eingestehen, dass auch eine Führungskraft wie sie an ihre Grenzen stossen kann. Meinungsverschiedenheiten im Team, strategische Differenzen in der Geschäftsführung und zermürbende Diskussionen über Ressourcenverteilung hatten sich zu einer dunklen Wolke zusammengebraut, die nun drohte, sich mit einem gewaltigen Gewitter über ihr zu entladen. Mit einem Seufzer lässt sich Anna in einen der Ledersessel fallen und wartet auf den Beginn ihrer Coaching-Sitzung. Sie hatte diesen Termin mit mir vereinbart, in der Hoffnung, neue Wege im Umgang mit Konflikten zu finden. «Ich habe das Gefühl, dass es jede Minute krachen kann», gestand Anna offen. «Die Konflikte sind allgegenwärtig und ich würde ihnen am liebsten einfach aus dem Weg gehen.» Ich erwiderte: «Konflikte sind tatsächlich unvermeidlich – besonders in deiner Position. Wichtig ist, wie du damit umgehst.»
Eine entscheidende Führungskompetenz, über die jede Führungskraft – egal auf welcher Ebene – verfügen muss, ist der konstruktive Umgang mit Konflikten. Nicht nur ist es eine Kompetenz, die in vielen Unternehmen täglich gefordert ist, sondern auch eine der komplexesten Herausforderungen für Führungskräfte. Aus meiner eigenen Erfahrung als ehemaliger Geschäftsführer und CIO verstehe ich bestens, in welcher Situation sich Anna gerade befindet. Ich stellte auch bei ihr fest, dass es enormes Potenzial zur Steigerung ihrer Führungseffektivität gibt, wenn sie daran arbeitet, mit Konflikten konstruktiv umzugehen.
Warum so konfliktscheu?
Zunächst möchte ich gemeinsam mit Anna herausfinden, woran es liegt, dass sie Konflikten häufig ausweicht und zeige ihr auf, welche Konsequenzen das für sie als Führungskraft hat. «Die Unfähigkeit, Konflikte zu meistern, ist für dich ein wahrer Karriereblocker, da nahezu alle Tätigkeiten, die du als Führungskräfte ausübst, Konfliktpotenzial in sich bergen.» Ich wiederhole den Satz und lasse ihn auf Anna wirken. Sie nickt und notiert sich das Gesagte. Danach gehen wir dazu über, herauszufinden, warum sie Konflikten oft ausweicht. In meiner jahrelangen Tätigkeit als Coach haben sich im Wesentlichen sechs Gründe herauskristallisiert, die einzeln oder Kombination bei fast jeder Führungskraft zu finden sind.
- Der Wunsch nach Akzeptanz und Zustimmung. Viele Führungskräfte wollen gemocht werden und Zustimmung in ihrem Team erhalten. Dieses Verhalten führt dazu, dass Konflikte vermieden werden.
- Die Angst vor Konsequenzen.Die Befürchtung dahinter ist, dass ein Konflikt das Team spalten, die Arbeitsabläufe stören oder die eigene Position untergraben könnte.
- Das Sparen von Zeit und Ressourcen. Wir alle wissen, dass Konflikte häufig zeit- und energieraubend sind. Je mehr die Führungskraft unter Druck steht, Ergebnisse zu liefern und Deadlines einzuhalten, desto wahrscheinlicher will sie die Ressourcen, die auf Konflikte entfallen, einsparen.
- Das Vermeiden unangenehmer Emotionen.Konflikte gehen in der Regel mit negativen Emotionen, wie Wut, Frustration, Trauer oder Ähnlichem einher. Einige Menschen gehen Konfliktsituationen daher aus dem Weg, um diese Gefühle zu vermeiden.
- Das Harmoniebedürfnis.Je nach Persönlichkeit haben die Menschen ein mehr oder weniger grosses Bedürfnis nach Harmonie und Einheit in ihren Beziehungen und Teams. Sie unterdrücken aufgrund dessen eigene Bedürfnisse oder stellen sich hintan, um den Frieden zu wahren und keine Konflikte entstehen zu lassen.
- Der Mangel an Training.Trotz ihrer Position mangelt es den meisten Führungskräften an der Ausbildung oder Erfahrung im Umgang mit Konflikten. Sie fühlen sich schnell überfordert und wissen nicht, damit umzugehen.
Anna erkennt bei sich selbst eine Mischung aus dem Bedürfnis nach Akzeptanz und Zustimmung sowie dem nach Harmonie. Dies beeinflusst auch ihre Haltung gegenüber Konflikten: Entweder sie versucht diesen so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen oder verhält sie sich manchmal sogar wie ein Fähnchen im Wind, je nachdem, mit welcher Konfliktpartei sie gerade spricht. Dies untergräbt sowohl ihre Führungsautorität als auch ihre Eignung für die Führungsrolle. Über kurz oder lang wird es zu massiven Problemen und weiteren Konflikten kommen.
Führung ohne Konflikte ist ein unmögliches Utopia
Treffen Menschen aufeinander, sind Konflikte unvermeidbar. Vor allem die alltäglichen menschlichen Konflikte – sei es mit dem Team, Kollegen, Vorgesetzten oder Kunden – gehören zum Führungsalltag dazu. Für Führungskräfte ist es wichtig zu erkennen, wann diese destruktiv und unfruchtbar sind und in welchen Fällen eine konstruktive Auseinandersetzung notwendig oder gar gewinnbringend ist. Ich gebe Anna an dieser Stelle einige Beispiele für mögliche Konflikte, denen sie sich zwingend stellen muss.
Im Team: Konflikte im Team entstehen vielfach, wenn zwei oder mehrere Teammitglieder verschiedene Arbeitsstile aufweisen oder einfach unterschiedliche Persönlichkeiten mitbringen, die nicht miteinander harmonieren. Weiter führen mangelnde Klarheit über Verantwortlichkeiten oder Rollen sowie Konkurrenzkämpfe zu Konflikten. Hier muss die Führungskraft einschreiten, da sonst ein Leistungsabfall und eine Verschiebung des Fokus drohen.
Strategiekonflikte: Diese entstehen, wenn es Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, welche strategische Richtung das Unternehmen einschlagen oder welche Projekte Priorität haben sollten. Sie können auf Führungsebene oder zwischen verschiedenen Abteilungen entstehen und bedürfen dringender Klärung, damit das Unternehmen nicht ausgebremst wird.
Leistungsprobleme: Wenn ein Mitarbeitender nicht die erwartete Leistung erbringt, kann dies zu Konflikten führen. Als Führungskraft muss man diese Situation ansprechen und lösen, da sie sonst weitere Unstimmigkeiten im Team zur Folge haben.
Changemanagement: Veränderungen im Unternehmen, ob organisatorische Umstrukturierungen, Technologieimplementierungen oder strategische Neuausrichtungen, können Konflikte hervorrufen, da Mitarbeitende möglicherweise Widerstand gegen Veränderungen leisten. Wird das nicht rechtzeitig gelöst und Massnahmen ergriffen, kommt es zu massiven Herausforderungen.
Kundenkonflikte: Probleme oder Missverständnisse mit Kunden können ebenfalls zu Konflikten führen, die Führungskräfte lösen müssen. Werden diese ignoriert und nicht behandelt, verliert das Unternehmen möglicherweise Kunden oder erleidet einen Imageschaden.
«Wenn du dich solchen Situationen nicht stellst, führt dies dazu, dass du alle Führungsaufgaben, die im Zusammenhang mit Konflikten stehen, aufschiebst oder gar nicht anpackst», gebe ich Anna zu bedenken. Sie zieht daraus ihre Schlüsse: «Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich das Gefühl habe, dass bald ein gewaltiges Gewitter droht …»
Konflikte anschieben statt aufschieben
Die Aufgabe einer Führungskraft besteht auch darin, dass sie zwischenmenschliche Konflikte bewältigt und löst. Paradoxerweise erfordert wirkungsvolle Führung oft, dass man sein Team in Konfliktsituationen führt, denn die besten Leistungen werden häufig erzielt, wenn Menschen herausgefordert werden. Setzt sich das Team gemeinsam mit der Führungskraft konstruktiv mit Meinungsverschiedenheiten auseinander und findet ein offener Austausch statt, werden Lösungen gefunden. Nur so können kreative und effiziente Wege gefunden werden, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Es ist nicht nur akzeptabel, dass jeder im Team eine einzigartige Perspektive und besondere Fähigkeiten einbringt – es sollte sogar erwartet werden. Ich vereinbare mit Anna, dass wir im nächsten Coaching darüber sprechen, wie sie ihre Konfliktscheue überwinden und das Beste aus ihrem Team herausholen kann.
Hast auch du den Antrieb, besser mit Konflikten umzugehen, damit es dir am Ende nicht so ergeht wie Anna? Dann solltest du unbedingt an dieser Führungskompetenz arbeiten, denn sie wird dich jeden Tag in deinem Führungsalltag begleiten. Viele weitere Impulse, Handlungsempfehlungen und Reflexionsfragen dazu bekommst du in meinem neuen Buch «Die Heldenreise einer Führungskraft. Wie du als Leader*in die beste Version deiner selbst wirst». (Erhältlich bei Amazon, Orell Füssli, Wiley oder direkt beim Autor)