Haben auch Chefs Anspruch auf ein ehrliches Feedback?
Klar haben auch Chefs einen Anspruch auf ehrliches Feedback! Fakt ist allerdings, dass viele Führungskräfte das gar nicht wollen – ausser es handelt sich um durchwegs positive Rückmeldungen. Grundsätzlich lässt sich niemand gerne kritisieren, weshalb es für manche Menschen bereits Mut erfordert, kritisches Feedback auf Augenhöhe, d. h. unter Ehepartnern, Freunden oder Arbeitskollegen zu geben. Einem Vorgesetzten kritisches Feedback zu geben, bedarf demgegenüber ein deutlich grösseres Mass an Mut, da ein offensichtliches Macht-Gefälle zwischen den beiden Menschen besteht.
Wohl jedem ist aus der Geschichte die Bestrafung des Übermittlers von schlechten oder unerwünschten Nachrichten, den sogenannten Hiobsbotschaften, bekannt. Der englische Ausspruch «Don't kill the messenger!» bringt dies wohl am besten zum Ausdruck. Früher kam es häufig vor, dass der Überbringer schlechter Nachrichten bestraft wurde – sogar mit dem Tod. Abgesehen von einigen wenigen Diktaturen braucht man heute solche drakonischen Strafen nicht mehr zu fürchten, doch man kann durch Feedback durchaus in Ungnade beim Vorgesetzten fallen. Der Eindruck, dass Mitarbeitende grundsätzlich nicht viel gewinnen, aber viel verlieren können, wenn sie ihren Vorgesetzten offenes und ehrliches Feedback geben, lässt sich also nicht von der Hand weisen.
6 bewährte Tipps für Feedback an Vorgesetzte
Da es für die meisten Menschen äusserst anspruchsvoll ist, ihrem Chef Feedback zu geben, ist es wichtig, die Situation behutsam und auf eine Art und Weise anzugehen, die der Beziehung gerecht wird. Damit das Feedbackgespräch die grösste Wahrscheinlichkeit auf Erfolg hat, gibt es im Folgenden 6 Tipps, die sich in der Praxis bewährt haben.
1. Eine solide Vertrauensbasis schaffen
Damit ein wirksames Feedbackgespräch möglich ist, muss eine solide Vertrauensbasis zwischen Chef und Mitarbeitenden vorhanden sein. Diese entwickelt sich erfahrungsgemäss erst im Laufe der Zeit. Sie erreichen dies, indem Sie ehrlich, transparent und verbindlich agieren. Fehlt derzeit eine ausreichende Vertrauensbasis, empfehle ich, auf das Feedback an Ihren Vorgesetzten zu verzichten. Zudem gilt es, Loyalität zu beweisen – das gelingt vor allem dann, wenn auch unbequeme Wahrheiten angesprochen werden. Wenn jedoch der Vorgesetzte die Wahrheit darüber, was in seinem Team vorgeht, nicht hören will, wird er kaum bereit sein, Feedback anzunehmen. Ist er allerdings aufgeschlossen und weiss zu schätzen, dass er von seinem Mitarbeitenden eine offene und ehrliche Meinung erhält, ist die Chance gross, dass das für das Feedback wichtige Vertrauen entsteht.
2. Die Erlaubnis, Feedback geben zu dürfen
Ungefragt Feedback zu geben, kann ein Chef-Mitarbeitenden-Verhältnis sehr schnell beeinträchtigen. Deshalb empfehle ich, dass Sie um Erlaubnis bitten, Feedback geben zu dürfen. Zum Beispiel mit den Worten: «Ich habe ein paar Beobachtungen gemacht, die für Sie/Dich und das Team nützlich sein könnten. Ist es okay, wenn ich dazu ein Feedback gebe?» Dennoch ist an dieser Stelle Vorsicht geboten: Fast jeder Vorgesetzte wird «ja» sagen, ob er es ernst damit meint oder nicht, sei zunächst einmal dahingestellt. Beobachten Sie deshalb seine Reaktion, um festzustellen, ob wirklich eine Erlaubnis für Feedback vorliegt. Dadurch versetzen Sie Ihren Chef in einen mentalen Zustand, in welchem er bereit ist, zuzuhören, was ein wichtiger erster Schritt ist.
3. Der passende Zeitpunkt
Insbesondere kritisches Feedback ist nichts, was zwischen Tür und Angel besprochen werden sollte. Ist die Chefin zum Beispiel gerade sehr in ein Projekt eingebunden oder mit anderen Dingen beschäftigt, heisst es: geduldig sein. Am besten sollte das Gespräch angekündigt werden, in etwa so: «Ich würde mich gerne mit Ihnen/Dir unterhalten, wenn es zeitlich passt. Es ist nichts Dringendes, aber es könnte für das Team sehr wertvoll sein.» Ist dann ein Termin gefunden, vergewissern Sie sich, dass er auch wirklich passt. Wenn schon beim Eintreten ins Chefinnenbüro klar wird, dass diese gestresst, abgelenkt oder ungeduldig ist, ist es sinnvoll, den Termin auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben.
4. Subtil aber ehrlich
Wer mit der Tür ins Haus fällt und direkt mit seiner Meinung herausplatzt, was der Vorgesetzte falsch macht, kann sich sicher sein, dass das Feedbackgespräch vorbei ist, bevor es richtig begonnen hat. Klüger ist es, immer wieder gut durchdachte Fragen zu stellen und auf Formulierungen wie «als die Entscheidung verkündet wurde, haben die Leute sehr schlecht darauf reagiert. Es scheint eine schlechte Entscheidung zu sein, und das Team denkt, dass sie kontraproduktiv ist. Sie sind alle unglücklich darüber.» zu verzichten. Durch ein subtiles Vorgehen steigen Ihre Chancen, gehört zu werden, um ein Vielfaches. Besser ist also: «Ich habe die Reaktionen einiger Mitglieder im Team auf die Entscheidung beobachtet. Ich bin mir sicher, dass dies schon besprochen wurde, aber es wäre vielleicht sinnvoll, noch einmal nachzufragen, ob es Einwände gibt, die für das Ergebnis wichtig sind.»
5. Beobachtungen statt Anweisungen
Den eigenen Chef coachen mag im ersten Moment seltsam klingen, doch die Meinung des Vorgesetzten zu erfragen, ist viel wirkungsvoller, als ihn nur zu kritisieren. Besonders effektiv ist, wenn Sie von eigenen Beobachtungen berichten, ganz im Sinne von: «Ich habe in der letzten Teamsitzung eine Beobachtung gemacht, die nützlich sein könnte. Als Sie Ihre Meinung als erster äußerten, haben viele im Team einfach dicht gemacht und sich zurückgezogen. Ich frage mich, ob es einen besseren Weg gibt, das Team dazu zu bringen, mehr beizutragen?»
6. Möglichst spezifisch sein
Was für Anforderungen an ein gutes Feedback für Mitarbeitende gilt, ist auch für das Feedback an den Chef relevant – und zwar, ganz konkrete, greifbare Beispiele zur Hand zu haben. Diese sollten nicht einer Flut von Negativität gleichen. Es reichen ein oder zwei Beispiele, um die Beobachtungen hervorzuheben. Vorsicht ist auch dann geboten, wenn es zu einer Diskussion über die Beispiele kommt. Schnell aus dem Weg geräumt ist das zum Beispiel mit der Aussage: «Ich glaube nicht, dass es viel bringt, über die Beispiele zu streiten. Ich habe sie herangezogen, um meinen Standpunkt zu verdeutlichen und um mehr Klarheit zu schaffen.»
Last but not least: Auch Führungskräfte haben Vorgesetzte. Als Leader wiederum haben Sie zusätzlich eine Vorbildfunktion und sollten deshalb in der Lage sein, Ihrem Vorgesetzten ein offenes und – falls erforderlich – auch kritisches Feedback zu geben. Das erfordert Mut – eine der 12 entscheidenden Leadership-Kompetenzen. Wenn Sie wissen wollen, wie es um Ihre Kompetenz in Sachen Mut steht und ob Sie bei anderen Führungstugenden noch Handlungsbedarf haben, machen Sie jetzt kostenlos den BeBest! Test und finden es heraus. Lassen Sie uns danach in einem Gespräch herausfinden, welche Massnahmen für Sie sinnvoll wären.
Weitere Impulse zu Feedbackgesprächen und Leadership-Themen findest du Sie auch in meinen anderen Blogs sowie in meinem Buch: «Das Phönix-Prinzip».