Alice im Führungsland – oder warum sich plötzlich alles ändert
Um effektiv zu führen, braucht es meiner Meinung nach einen tiefgreifenden Wandel, der sowohl auf intellektueller 🧠 als auch emotionaler Ebene 💚 vollzogen werden muss. Und diese Transformation dauert oft mehrere Jahre.
Es war Dienstagnachmittag und ich weiss noch genau, dass es heisseste Tag des Jahres war, als ich mich mit meiner Coachee Alice getroffen haben. Sie ist Anfang Dreißig und gerade frisch zur Führungskraft befördert worden und sprühte nur so vor Tatendrang. Allerdings waren die letzten Wochen für sie auch eine emotionale Achtbahnfahrt zwischen euphorischer Freude auf die neue Position und Unsicherheit aufgrund der Verantwortung, die damit einhergeht. Alice tauchte nun in die Unschärfen und Komplexitäten einer Führungsposition ein. Sie hatte zwar in ihrem Unternehmen eine Schulung erhalten, doch diese hatte sie nicht ausreichend auf die Rolle als Führungskraft vorbereitet, wie sie mir erzählte. «Es ist komplettes Neuland für mich», eröffnete sie das heutige Gespräch ein. «Früher wusste ich genau, was von mir erwartet wird und welche Ergebnisse ich liefern soll. Jetzt werde ich erschlagen von der Vielzahl der Themen und Verantwortlichkeiten. Mir fehlt es gerade an einer klaren Richtung.»
Steigt eine Fachkraft zur Führungskraft auf, erlebe ich häufig, dass es ihnen so geht wie Alice, denn mit jeder Sprosse auf der Karriereleiter kommen mehr Komplexität und Themenvielfalt hinzu, die es zu managen gilt. Das stellt nicht nur eine mentale Herausforderung dar, sondern auch eine emotionale und psychologische. Wer jedoch versucht, sich gegen diese Veränderung zu stemmen oder ihr gar Widerstand entgegenzusetzen, sollte sich wohl eher von der Übernahme einer Führungsrolle distanzieren.
Paradigmenwechsel – vom Ausführenden zum Lenkenden
In der Position als Mitarbeitender ohne Führungsverantwortung, der als ausführende Kraft im operativen Geschäft des Unternehmens tätig ist, ist meist sehr klar definiert, was erwartet wird und welche Resultate erzielt werden sollen. Doch je weiter es in der Karriere nach oben geht, desto unschärfer wird es, wie auch meine Coachee Alice schnell feststellen musste: Plötzlich war sie nicht mehr in ihrem routinierten, aufgabenorientierten Alltag, sondern ihre Mitarbeitenden als Menschen rückten stärker in den Fokus. Für sie galt es zunächst, ein Verständnis für die neuen Anforderungen in ihrer veränderten Rolle zu entwickeln.
Nutze dein Fachwissen als «Bullshit-Detektor»
Der Übergang in eine Führungsposition ist ein gewaltiger Sprung, der keinesfalls unterschätzt werden darf. Um effektiv zu führen, braucht es einen tiefgreifenden Wandel, der sowohl auf intellektueller als auch emotionaler Ebene vollzogen werden muss. Meiner Erfahrung nach erfolgt dieser Übergang schrittweise und es dauert oft mehrere Jahre, bis man zu einer Führungspersönlichkeit reift und in der Rolle ankommt. Wichtig dabei ist, sich die Kompetenzen des Facharbeiters zu bewahren, nur sollten sie in der Führungsrolle anders eingesetzt werden. Im Idealfall dient das spezialisierte Wissen dann als verlässlicher «Bullshit-Detektor» und hilft, Ungenauigkeiten, Fehler, Komplikationen usw. sofort zu erkennen, um dann die entscheidenden Fragen zu stellen. In diesem Punkt laufen viele Führungsneulinge Gefahr, in eine Falle zu tappen. Voller Elan stürzen sie sich in die Arbeit, verlieren sich in Details und fühlen sich wieder ganz wie Spezialisten und weniger als Führungskräfte. Mit einer Beförderung zum «Vorgesetzten von Mitarbeitenden» verändert sich allerdings das Spektrum der Aufgaben und auch die Art und Weise, wie Zeit eingesetzt werden sollte. Anstatt sich auf die Details der eigenen Arbeit zu konzentrieren, gilt es nun das Verhalten und die Bedürfnisse unterschiedlicher Individuen zu verstehen.
Lass die Detailverliebtheit hinter dir
Das bedeutet auch, dass Zeit effektiver und breiter verteilt werden muss, damit die Anforderungen der neuen Position erfüllt werden. Neuführungskraft Alice berichtete mir, dass ihr diese Umstellung schwerfalle und ihre Arbeitsbelastung dadurch zugenommen hat. Sie fühle sich ebenfalls deutlich gestresster und überfordert. Um Alice ihre Situation vor Augen zu führen, haben wir ein kleines Gedankenexperiment gemacht. Ich sagte zu ihr: «Stell dir einmal vor, dass du als Teamleiterin eine Vielzahl von Verantwortlichkeiten schulterst und dabei gleichzeitig weiterhin so detailtief arbeitetest wie deine Mitarbeitenden. Wie wäre dies deiner Meinung nach möglich?» Alice überlegt hin und her, doch kam schlussendlich zur Erkenntnis, dass eine solche Herangehensweise in der Realität nicht umsetzbar ist. Sie könne nicht die vollständige Kontrolle über alle Aufgabenbereiche haben, und zudem wäre die daraus resultierende Arbeitslast für sie nicht nachhaltig. Aus diesem kleinen Aha-Moment wurde deutlich, dass Alice an ihrem Zeitmanagement und ihrer Priorisierung arbeiten sollte, damit sie effektiver wird und sich nicht mehr selbst überlastet.
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